Die Völser Hexenprozesse

von 1506 und 1510

 

 

 

Eine szenische Bilderfolge

in 14 Bildern

 

 

 

 

von Elmar Perkmann

 

 

 

 

 

 

 

 

Schauplätze

 

1

Vor der Burgmauer zu Prösels

Wiese, eine Bank an die Mauer gelehnt. Arbeit an der Bauhütte, die das Holz für den Umbau herrichtet. Einige Arbeiter sind ab und zu zu sehen. Eine Torwache schaut aus dem Tor, beim Baumann bellt ein Hund. Requisiten: Kartenspiel, Schlüsselbund

 

2

Im Verlies

Dunkelheit, Fackellicht. Ein niedriger Gang, einige Zellen, teils mit roh behauener Holztür, teils mit Eisengitter liegen links und rechts davon. Glitschiger Boden, hallende Stimmen. Die Mauern sind roh und feucht. Requisiten: Fackel, Schlüsselbund

 

3

Vor der Burgmauer

Auf dem Weg vom Baumann zur Burg steht der Henkerskarren, ein Planwagen.

 

4

Beim Winklerhof vor dem Eingang

Eine Bank an der Mauer. Man hört Kühe muhen und Ketten klirren. Ein Hahn kräht. Bäuerliche Geräuschkulisse.

 

5

Vor der Kirchentür

der Pfarrkirche nach dem Gottesdienst am Sonntag. Einige Frauen unterhalten sich, andere Kirchgänger kommen aus der Kirche, horchen kurz zu, schütteln den Kopf und gehen ihres Weges. Dann kommt Pfarrer Lampl.

 

6

Vor der Burgmauer

 

 

 

7

Im Widum

Frühmesser Teininger mit Pfarrer Lampl beim Frühstück. Die Häuserin werkelt im Hintergrund an der Feuerstelle. Der Raum ist kahl und ungemütlich.

 

8

Vor der Burgmauer

 

 

9

In der Burg

Pfleger und Richter sitzen in einer getäfelten Stube bei einem Becher Wein und unterhalten sich.

 

 

10

Vor der Burgmauer

 

11

Auf dem Dorfplatz

Drei Männer, die von der Arbeit kommen, und zwei Frauen stehen zusammen und besprechen sich. Sie haben bäuerliche Gerätschaften dabei, eine Sense, einen Schubkarren.

 

 

12

Vor der Burgmauer

Die beiden Büttel stehen vor dem Burgtor. Man hört lautes Holzarbeiten, ab und zu Zurufe. Die Geräuschkulisse kommt von der Bauhütte hinter der Burg.

 

 

13

Im Gasthaus beim Windisch

Große Gaststube, kein Tresen, Holzspanlichter, wenige lange Tische. Der Wirt mit Haube auf dem Kopf geht durch die Reihen und unterhält sich mit den Gästen. Es sind etwa 10. Vor sich haben sie irdene Becher stehen.

 

 

14

In der Kirche

Glockenläuten. Die versammelte Gemeinde kniet auf dem Boden, Pfarrer Lampl auf der möglichst nicht barocken Kanzel. Düsteres Licht. Auf der Kanzel klebt eine Kerze.

 


 

Personen

 

A = Landrichter, herrisch, vornehm gekleidet, etwa 40

B = Jorg, ein Büttel, Kastelruther, weichherzig, gutmütig, etwa 25

C = Martl, ein Büttel, derb aber gutmütig, etwa 22

D = Bertl, Sohn des Züchtigers, sensibel, „fehl am Platz“, etwa 19

E = Bauarbeiter

F = Bauarbeiter

Y = der Pfleger, aristokratisches Verhalten, Gutshofbesitzer-Art, etwa 50

W = der alte Winkler, weich, einfach, linear, verhärmt, etwa 70

Bub = der 11jährige Enkel vom alten Winkler, neugierig

K, L, M, N, O sind jüngere Frauen, tratschsüchtig

X = Pfarrer Lampl, linear, klar, etwa 80

G = Frühmesser Teininger, weichherzig, etwa 40

S, T, U drei Bauleute

V, W zwei Frauen


1. Bild

Vor der Burgmauer

 

 

A = Landrichter

B = Jorg

C = Martl

 

A und B hocken vor der Burgmauer auf dem Boden und spielen Karten. Ein vornehm gekleideter Mann nähert sich den Beiden. A steht auf und geht ihm neugierig entgegen.

 

B

Wollt Ihr zum Pfleger, Herr?

A

Wo ist die Delinquentin, Bursche?

B

Welche Delinquentin? Wir führen hier keine Delinquenten. Das ist ein nobles Haus (lacht).

A

Was soll das heißen?

Na, Herr, Ihr steht vor der Herberge „Zum ewigen Frieden“. Was habt Ihr geglaubt, was das ist?

A

Na warte, Bursche, ich werde dir Beine machen! Weißt du, wer ich bin?

B

Ihr seid der Hersicht nach ein Stadtfrack, ein gelackter. Wohl auf der Durchreise?

A

Was??

B

Das Gästehaus hier ist belegt. Voll, versteht ihr? Vor allem der Weibertrakt.  Ich sag das nur, falls Ihr die Absicht habt, denen da einen Besuch abzustatten. Aber Ihr habt ja keine Blumen dabei. Feuerlilien würden passen…

A

So, dann werde ich dich einmal aufklären, mein Bester! Ich bin der neue Landrichter. Was fällt dir ein, dich hier so aufzupudeln?!

B

Oh, das tut mir aufrichtig leid, ich wusste nicht -, nehmt es mir nicht übel, Herr, natürlich werde ich -. Von wem habt ihr gesprochen? Delinquenten sind sie ja alle (lacht schäbig). Außer mir natürlich (lacht verlegen), und euch, selbstverständlich. Ich –

A

Die Winklerin mein ich. Ich will zur Winklerin.

B

Ausgerechnet zur Winklerin? Ja wisst ihr denn nicht –

A

Ich bin dein Landrichter, hast du vergessen?! Von jetzt an habe ich hier das Sagen. Also keine Widerrede. Sperr auf den Gatter und geh voran.

B

Die Winklerin, die Winklerin, ja, die logiert im Untergeschoß. Angenehm bei dieser Hitze, die’s im Freien hat. Ws wollt ihr denn von der Winkerin, wenn ich fragen darf? Aus der ist doch nichts mehr heraus zu holen, die gibt nichts mehr her. Die ist ausgepresst wie ein Holzapfel. Wenn ihr vielleicht die andere nehmen wollt, die Jobstin, die ist noch einigermaßen -

A

Die Winklerin.

B

Jaja, hab verstanden. Aber ich garantiere für nichts. Wenn ihr neu im Amt seid, wisst ihr vielleicht auch nicht, was euch da blühen kann. Ihr wisst schon, dass die höllischen Geifer spuckt und den Bösen Blick hat.

 (ein weiterer Büttel mischt sich ein)

C

He Jorg, was ist denn los? Können wir nicht weiter karten?

B

Warte Martl, da will einer zur Winklerin.

C

Was, zur Winklerin? Ja wozu denn das?

B

Es ist der neue Landrichter.

A

Und der neue Landrichter wird euch gleich Beine machen, wenn da nichts weiter geht. Los los jetzt.

B

(brummt, nimmt den Schlüsselbund, der neben ihm auf dem Boden gelegen hat)

Folgt mir. Passt aber drinnen auf den Boden auf, der ist ziemlich glitschig. (schlägt mit der flachen Hand gegen das Tor). He Hons, mach die Luke auf. Wir haben Besuch.

C

Du kommst nachher?

 


2. Bild

Im Verlies

 

A = Landrichter

B = Jorg

 

 

(Eisengatter, Stroh auf dem Boden, es tropft von den Wänden. Jorg hält eine Fackel, die heftig rußt)

 

B

Da noch links herum. Seht Ihr, da drüben ist die Jobstin, gegenüber sind die anderen zwei. Da drin ( stößt mit der Fußspitze gegen einen Holzgatter; der Simml quittiert mit „Trottl!“) ist der Simml, der die Urfehde nicht eingehalten hat. Aber ihr kennt ja unsere Verhältnisse nicht.

 

A

Das hält ja der Teufel nicht aus! So ein bestialischer Gestank!

B

Also, Herr, der Teufel fühlt sich in diesem Milieu ziemlich wohl. Warum sonst bleibt uns die Winklerin so lang erhalten, länger als jeder andere Gast, ausgenommen die Jobstin, die Ihr ja nicht sehen wollt?

A

Halt die Fackel höher, ich kann nichts erkennen. Das ist ja pechschwarz hier. (hebt vorsichtig die Füße und setzt sie ebenso vorsichtig ab).

B

Da sind wir.

(sperrt auf, zieht den quietschenden Riegel beiseite).

Passt auf, Herr, wo ihr hintretet.

A

Der ganze Boden voller Unrat. Muss das sein? Da sieht ein Stall besser aus. Ei der Teufel, jetzt bin ich in irgendwas hinein getreten!

B

Die macht die ganze Sauerei mit voller Absicht, um uns zu ärgern. Das ist sicher. Alles voller Urin, Blut und Kot. Das ist pure Absicht, um uns mürbe zum machen.

(im Hintergrund leises Wimmern)

A

Winklerin?!

B

Die antwortet nicht. Die antwortet nie, schon seit der ersten Tortur nicht. Die ist stur wie ein Bock.

A

Winklerin, ich bin’s, der neue Richter. Ich möchte (nähert sich der Gestalt, die am Boden liegt)

B

Um Gotteswillen, Herr, gebt bloß Acht. Ihr seid mir etwas unvorsichtig, wenn ich das sagen darf. Und schaut ihr ja nicht in die Augen! Wegen dem Bösen Blick. Die hat das voll drauf!

A

Also, Winklerin, ich wollte mir ein Bild davon machen, in welchem Zustand Ihr seid. Ich bin der neue Landrichter, und morgen Früh werden wir die nächste Befragung machen. Das wollte ich euch sagen, damit Ihr gefasst seid.

(die Winklerin schreit auf und stöhnt)

Ich werde Euch ein neues Hemd holen lassen und Wasser zum Waschen.

 


3. Bild

Vor der Burgmauer

 

 

A = Landrichter

B = Jorg

C = Martl

D = Bertl

 

 

B

He Martl, hast du gehört? Der Züchtiger ist endlich da. Der Bursch, der den Wagen fährt, kann perlaggen. Den holen wir uns.

C

Geil.

B

He, da kommt er ja. Du bist doch der Bursch vom Züchtiger?

D

Aber nicht mehr lang! Nächsten Sommer mache ich mein Meisterstück!

C

Wie heißt du?

D

Bertl, und ihr Beiden?

B

Jorg heiß ich.

C

Bin der Martl. Was ist das mit dem Meisterstück? Du bist doch kein Tischler.

D

Ach weißt du, unser Job umfasst dies und das, auch einen Batzen Tischlerei. Die Daumenschrauben zum Beispiel, wenn die nicht ordentlich gedrechselt sind, haben sie nur die halbe Wirkung.

B

Was gedrechselt? Sag nur, dass ihr immer noch die hölzernen nehmt? Ja da haben wir doch schon längst die aus Eisen! Der letzte Henker, der jetzt in Hall draußen ist, hat uns eine Schnelleinführung gemacht, damit wir die erste Stufe selber vornehmen können. Das hat der Herr verlangt. Dem kommen die Torturen immer tu teuer.

D

Ach was, Eisen! Da machst du die Gelenke mit einem Mal hin, was bringt dir das? Eine Folter ist doch nicht ein bloßes Kaputtmachen, das wäre ja barbarisch. Also, Vorstellungen habt ihr! Direkt vorsintflutlich!

B

So ein Blödsinn, und du bist wirklich der Bursch vom Züchtiger?

D

Das kann ich dir sagen. Noch ein Jahr!

C

Sag, wie war das mit dem Eisen?

D

Also, wenn ihr mir nachher ein Glasl spendiert, sag ich euch, wie’s geht. Eigentlich ist’s ja ein Betriebsgeheimnis.

B und C

Einverstanden.

D

Also, Burschen, das mit den Daumenschrauben ist so: Du musst dir überlegen, was du willst. Willst du jemanden zum Krüppel machen, einfach so, weil du einen Hass auf ihn hast?

B

Na, so eine Hex wie die Winklerin, die tät ich schon hassen.

C

Oder die Jobstin. Die ist mir persönlich unsympathischer. Ist nicht einmal von hier und zaubert in unserer Landschaft herum. Die hasst jeder.

D

Eben. Siehst du, deshalb wärst du für diesen Job auch nicht geeignet. Als Henker musst du immer eine professionelle Distanz halten. Leidenschaftlichkeit ja, Engagement, ein sozusagen fein dosierte Nachdrücklichkeit. Aber niemals Hass. Hass verdirbt das Handwerk, wie der Meister immer sagt, da wird die Sache dilettantisch, unprofessionell.

C

Was denn sonst? Wie geht ihr denn vor? Wohl auch nicht viel anders.

D

Pah! Also, ich lege die Daumenstöcke an – die hölzernen, wohlgemerkt, die langsamer anziehen und sich besser regeln lassen. Dann kommt der Dreh, nicht zu weich, nicht zu fest. Und du musst dabei immer die Farbe der Finger im Auge behalten. Sind sie rot und weiß, ist das noch in Ordnung, werden sie bläulich, hast du zwei Möglichkeiten, auslassen oder endgültig zudrehen. Da ist das Zusammenspiel mit dem Richter wichtig. Man vereinbart zuerst ein Zeichen.

B

Und die eisernen?

D

Die hat der Rodem verwendet, wetten? Die in Holland haben sowieso andere Methoden. Nichts für ungut, die foltern irgendwie – ausländisch. Weniger wirksam. Aber die Gosch offen haben sie schon.

C

Habt ihr die Daumenstöcke mit?

D

Ja was meinst denn du?? Da wären wir luggere Henker! Übrigens, wir vermieten die Daumenstöcke seit neuestem auch, zu einem günstigen Satz. Die Leihgebühr ist ein Klacks, und ihr habt garantierte Ergebnisse.

C

Na, bei einer solchen wie der Winklerin würde ich das nicht so laut sagen. Die steht unter teuflischem Schutz. Da richtest du nicht viel aus, weder mit Holz noch mit Eisen.

B

Ja, die hat die erste Stufe problemlos überstanden.

C

Der Trafisöler, der dabei war, hat gesagt, dass sie sogar gelacht hat dabei. Jedenfalls habe sie Geräusche von sich gegeben, die geklungen haben, als würde sie lachen.

D

Da musst du aufpassen. Du hast beim Foltern wenig Erfahrung, merke ich. Manche lachen, weil sie nicht anders können und –

C

Oder sie lachen in des Teufels Namen. Der Teufel holt die seltsamsten Geräusche aus ihnen heraus.

D

Stimmt, damit hast du Recht. Unten in Cavalese –

B

Sag bloß, du bist in Cavalese unten gewesen. Warst du etwa beim Hexenprozess dabei?

D

(stolz) Klar. War ich! Der Meister ist zur Verstärkung geholt worden, weil der dortige walsche Züchtiger mit der Arbeit nicht nachgekommen ist. Das war ein Schauspiel, das könnt ihr beide euch gar nicht vorstellen! Aber was ich sagen wollte: Das Lachen ist noch lang kein Indiz! Manche haben keine Tränen, die können nicht weinen. Andere –

C

Eigentlich will ich das alles nicht mehr hören, sonst schmeckt mir der Speck nicht. Das von Cavalese, das erzählst du uns einmal haarklein, einverstanden?

D

Auch recht. Wann gibt’s denn eine Mahlzeit bei euch? –Das ist in jedem Gericht anders. Ehrlich gesagt, habt ihr Völser in dieser Beziehung nicht gerade den besten Ruf.

C

Was?!

B

Da hörst du’s! Ich bin aus Kastelruth! Ich habe damit nichts zu schaffen.

D

Ich meine, ihr heißt doch nicht umsonst „Völser Kliaber“, weil ihr alles in Portionen zerhackt, bevor ihr es weitergebt, damit die Brocken nicht zu groß sind.

 

 

C

Blödsinn! Unsere Speckjause ist von bester Qualität. Zwei Zoll dick ist die Schnitte plus ein ganzes Völser Schüttelbrot. Und es ist sogar ein Viertele mit dabei, eins vom Mioler. Ein Portugieser!


4. Bild

Beim Winklerhof

 

 

W = der alte Winkler

Der Bub, der elfjährige Enkel

 

 

W:

(Sitzt vor dem Haus auf der Bank, den Kopf zwischen den Händen. Der Enkel, ein etwa elfjähriger Bub kickt Steine mit einem Stock). Ein Hahn kräht, eine Kuh muht.

 

W

Wie es ihr wohl geht?

Bub

Kann man die Großmutter nicht besuchen?

W

Bist ein dummer Bub. Wo sie doch im Kerker ist.

Bub

Was?? Im Kerker? Du hast du gesagt, sie ist krank und ist bei Base Anna!

W

Wollte dich nicht beunruhigen.

Bub

Sag, Großvater, wo, wo  ist die Großmutter denn?! Wo im Kerker?

W

Ja, Bub, dort drüben, auf der Burg. Da liegt sie im Verlies. Deine Großmutter ist eine Verbrecherin. So ist das.

Bub

Was sagst du da, Großvater! Du weißt doch ganz genau, dass Großmutter keine Verbrecherin ist!

W

Und doch ist es wahr. (seufzt, steht auf, geht auf und ab, gebeugt, mit den Händen auf dem Rücken)

(Stille)

Bub

Was hat sie denn verbrochen, die Großmutter? Sie hat doch nie jemand etwas getan!

W

Das verstehst du nicht, Bub.

Bub (hartnäckig)

Ich will’s wissen!

 

 

 

W

So, dann pass auf (räuspert sich, dreht sich weg. Seine Stimme versagt. Er setzt sich wieder zu seinem Enkel). Deine Großmutter, die ist eine Unholdin. Eine Hexe ist sie. So ist das. Und jetzt weißt du’s!

Bub

Großvater, ich bin elf, du brauchst mich nicht zu schonen! Sag mir mehr! Ich will’s wissen!

W

(seufzt unschlüssig)

Gut, dann gib eine Ruh und unterbrich mich nicht. Ich werde es dir erklären.

Die Großmutter hat sich einige schlimme Dinge zuschulden kommen lassen. Das ist nicht zu leugnen. Ich hab’s auch erst spät gemerkt. Mir ist früher nie was aufgefallen. Sie hat immer brav gearbeitet und hat Haus und Garten in Ordnung gehalten. Da kann man nichts sagen.

Bub

Und dann?

W

Ja dann, dann ist mir schon langsam aufgefallen, dass wir immer die schönste Ernte eingefahren haben. Das ist nicht normal. Einmal, gut, aber dreimal hintereinander! Dann die dicksten Rüben im Garten, die Hennen haben gelegt wie nie. Sie hat sogar über den Zehnten hinaus ein paar Eier im Monat verkaufen können. Kein Fuchs nie im Hühnerstall, kein Schaf ist die ganze Zeit über gerissen worden. Das ist unnatürlich, das gibt’s normal nicht. Nicht drei Jahre hintereinander. Und dann hat der Blitz drüben beim Nachbarn eingeschlagen, weißt du noch? Wir sind gerade beim Friegele gewesen, das war vor zwei Sommern, und die Großmutter war auf dem Weg vom Windisch herüber.

Bub

(still) Weiß noch.

W

Dann das Unwetter, das entsetzliche Krachen, der Schwefelgestank, darauf  der Feuerschein! Gekracht und geprasselt hat es, wie die Balken gesprungen sind, und die Funken! Wir haben löschen geholfen, aber umsonst. Umsonst. Alles ist abgebrannt. Und die Mutter und die zwei Kinder, der Tobias und der Hans, sind in den Flammen umgekommen.

Bub

Weiß noch. Mit dem Hans habe ich immer bei der Mühle gespielt.

W

Da haben die Leute angefangen zu reden. Mich haben sie schief angeschaut, beim Kirchengehen wollte keiner mehr mit mir gehen, bin alleweil den Weg allein hinüber und zurück. Und erst die Großmutter, die wurde richtig geschnitten. Getuschelt haben die Frauen hinter vorgehaltener Hand. Keiner wollte dich als Hirt haben, das weißt du doch, obwohl du immer gut aufgepasst hast aufs Vieh.

 

 

Bub

Ich hab gemeint, dass sie mich nicht mehr fragen, weil ihr mich hier auf dem Hof braucht. Wegen der Ziegen.

W

Dummer Bub. Das haben wir dir gesagt. Aber, wenn du wirklich alt genug bist, wie du sagst, musst du die Wahrheit aushalten.

Bub

Ich will sie wissen! Wie ging es dann weiter?

W

Dann ist deine Großmutter einmal zum Windisch nach Völs hinüber, ihr Patenkind besuchen. Die Bäuerin hat sie nicht hineingelassen, da ist sie zum Pfarrer Lampl, und hat bei ihm gebeichtet. Gott weiß, was sie gebeichtet hat. Mir hat sie nichts erzählt. Auf dem Nachhauseweg ist sie beim Tschiederer vorbei, und was glaubst du? Von Stund an hat die beste Milchkuh keinen Tropfen mehr gegeben. Das hat die Tschiederin bezeugt. So, jetzt weißt du’s. Eine Woche später, vor drei Wochen also, hat man sie abgeholt, und seitdem ist sie auf der Burg.

Bub (springt auf und gestikuliert vor dem Großvater)

Du musst was unternehmen, Großvater! Geh zum Pfleger und red mit ihm. Das ist doch alles erstunken und erlogen, das weißt du doch! Wie kannst du da ruhig auf der Bank sitzen, wenn Großmutter im Verlies ist! Tu doch was!

W

Ja, weißt du, Bub, das ist nicht so einfach!

Bub

Was denn, komm, tu doch was! Ich helf dir!

W

Sei stad, Bub. Ich habe schon mit dem Moar geredet. Es hat keinen Zweck. Sie ist nun einmal überführt und muss die Sache zu Ende bringen. Gott steh ihr bei, ich kann nichts für sie tun!

Bub

Was!!

W

Es fällt mir auch schwer, das kannst du mir glauben. Nacht für Nacht wälze ich mich von einer Seite auf die andere und kann nicht schlafen. Was mir der Knecht alles erzählt hat, der Jorg, der beim uns die Butter holt! Es ist schlimm, grauenvoll. Aber, sie muss das durchstehen. Schließlich hat sie -, nein, ich habe das nie gewollt! Lieber in Armut leben als von den finsteren Mächten geholfen bekommen. Ich habe das nie gewollt.

 

 


5. Bild

Vor der Kirche

 

 

Nach dem Kirchen (Gottesdienst)

 

K, L, M, N, O sind Frauen, die vor der Kirchentür stehen und sich unterhalten. Ab und zu kommt einer aus der Kirche, bleibt kurz stehen, schüttelt den Kopf und geht weiter. Einige bleiben stehen und hören zu.

Pfarrer Lampl

 

K

Jetzt sind es schon sieben weitere, seit sie die Jobstin gefasst haben.

l

Und es werden jede Woche mehr.

M

Wart nur, bald erwischt es auch dich und mich!

K

Also, ich habe eine reines Gewissen.

N

Ich finde, der Pfleger geht zu brutal vor.

K

Was, zu brutal? Wenn’s nachweislich stimmt, dann ist nix zu brutal.

L

Aber die Winklerin!! Ich weiß nicht. Mir hat sie einmal mit einer Diern ausgeholfen, als meine krank war.

K

Das ist es gerade, die schmeicheln sich ein. Die wollen dich einseifen, dir schön tun, damit sie ungestört ihre Versammlungen abhalten können und keiner auf einen Verdacht kommt. Hast du das noch nicht kapiert?!

L

Ach, ich weiß nicht. Doch nicht die Winklerin! Du kennst sie doch. Sie ist die Güte in Person. Von der kannst du alles kriegen. Die denkt zuerst an die anderen, dann erst an sich. So eine ist das.

K

Du redest dich da in etwas Gefährliches hinein, das muss ich dir schon sagen!

L

Was meinst du damit?

N

Ja, was?

K

Also, ich wäre da ein bisschen vorsichtiger mit solchen Verteidigungsreden. Vielleicht hört dir einer zu (schaut auf die Umstehenden). Die von der Burg werden schon wissen, warum sie sie geholt haben!

O (eine der Umstehenden mischt sich ein)

Ich kenne den Martl drüben von der Burg.

K

Ja, da kennst du aber wen!

(die anderen kichern)

O

Ich meine, der Martl, der ist früher bei uns auf dem Hof gewesen und hat die eine oder andere Taggschicht gemacht. Der ist schon in Ordnung. Ein bisschen grob, vielleicht. Also, Sprüche hat der drauf! Und fürchten tut er sich vor nichts und niemandem.

K

Dann ist er jetzt eh auf dem richtigen Platz!

O

Der Martl hat mir jedenfalls nach dem letzten Kirchen gesagt, dass sie gestanden hat, die Winklerin!

L

Gestanden? Ja, was denn gestanden? Ich glaub’s nicht, das ist bestimmt nur ein Gerücht!

O

Sie hat gestanden, dass sie ausfährt. Ja, das hat sie gestanden.

N

Ach was! Sie ist ausgefahren?? Guter Gott! (bekreuzigt sich)

O

Und damit nicht genug: Sie hat sich auch noch mit dem Höllenfürsten eingelassen. Mit dem Leibhaftigen, das muss man sich einmal vorstellen! Das hat sie gestanden. Was sagst du jetzt?!

 

Pfarrer Lampl (kommt aus der Kirche, die versammelten Leute machen ihm Platz, ziehen den Hut, grüßen)

Geht, was habt ihr da so zu tratschen. Gleich nach der Messe geht es schon wieder weiter. Geht nach Hause und macht eure Arbeit. Beim Ratschen kommt nie was Gescheites heraus.

K

Hochwürden?

Lampl

Was denn, Kathl?

Hochwürden, stimmt das mit der Winklerin?

Lampl

Das mit der Winklerin (überlegt). Das ist schon eine schwere Sünd. Eine schwere Sünd ist das. Das tut mir richtig in der Seele weh. Wenn ich daran denk, wie ich sie aus der Taufe gehoben habe damals. Pechschwarze Augen hat sie gehabt und – Los, geht jetzt geht nach Hause. Los, los.

 

 

 

6. Bild

Vor der Burgmauer

 

 

B = Jorg

C = Martl

D = Bertl, der Sohn des Züchtigers

 

 

Die beiden Büttel sitzen vor dem Schloss auf der Wiese und lehnen sich an die Burgmauer. Sie schweigen. Einer zupft Grashalme au, verknotet sie wirft sie weg. Ab und zu schaut einer zurück zur Burg.

 

B

Was ist heute heraus gekommen?

C

Ich war nicht dabei. Fragen wir den Bertl, der wird es schon wissen.

B

Der Bertl ist in Ordnung. Er hat einen komischen Dialekt, den man nicht immer versteht. Aber der kennt sich aus bei diesen Sachen. Und herumgekommen ist er!

C

Stimmt. Beim Perlaggen musst du aber aufpassen. Der ist gerissen.

B

Du, ich frag ihn einmal, ich hab ihn drüben beim Wagen gesehen. (geht zum Wagen)

He, Bertl, gtriaßdi.

D (schlägt die Plane zurück und dreht sich um)

Ah du. Griaßdi. (dreht sich wieder um und macht sich im Wagen zu schaffen)

B

Ist was? Du bist so kurz drauf.

D

Nein, nein. Nichts ist.

B

Sag doch schon, hat’s mit einem Frauenzimmer zu tun? Los, rede schon! Das erleichtert. Mir ist vor ein paar Wochen das Gleiche passiert, da -

D

Ach was Weiber. Was anderes ist’s.

B

Komm hinüber zu uns, gleich ist Marende, da können wir ein Ratscherle machen.

D

Ich komme dann. Muss erst noch die Gerätschaften in Ordnung bringen. Die sind total versaut. Die Schnur kannst wegschmeißen.

B

Darf ich einmal hineinschauen?

D

Von mir aus (schlägt die Plane zurück)

B

Ich war schon lange neugierig darauf, wie so ein Henkerswagen von innen aussieht!

D

Na wie denn schon. Ist halt ein Wagen.

B

Nein nein, der Wagen doch nicht! Ich meine die Folterwerkzeuge, die interessieren mich. (überrascht) Ui, da herrscht aber Ordnung im Laden! Gleich zwei Schwerter.

D

Das sind Familienerbstücke. Mit dem verzierten da hat mein Urgroßvater sein Meisterstück gemacht.

B

…und die Beinschienen, die schauen ungemütlich aus mit den vielen eisernen Zacken! Die habe ich noch nicht im Einsatz gesehen. Was, die Gewichte nehmt ihr beim Hochziehen? Das gibt’s doch gar nicht, und -

D

(schlägt die Plane zu). Ich habe für heute genug (läuft auf die Seite und erbricht sich).

B

Ja was ist denn los, bist amend krank? Das schaut nicht gut aus! Aber so viel getrunken haben wir gestern doch nicht. Höchstens -

D

Ach was, es ist nur –

B

Jetzt sag doch schon, ich sag’s auch keinem, versprochen.

D

Es ist die Folterei. Ich kann’s bald nicht mehr sehen. – Du sagst es keinem? Schon gar nicht dem Meister?

B

Versprochen, Ehrenwort. Keinen Laut.

D (setzt sich auf die Deichsel und knöpft das Hemd auf. Er spuckt seitlich auf den Boden).

Die Folterei. Ich kann das nicht mehr aushalten. Der Gestank, das Blut, das Knacken, das Krachen, wenn die Gelenke reißen. Und wie sie schreien. Sie hören nicht auf zu schreien (läuft beiseite und übergibt sich von Neuem). Ich kann’s nicht mehr ertragen (schnäuzt sich, schluchzt).

 

B

(boxt ihm in die Seite). Ist es so schlimm? Ich habe doch auch ab und zu ein bisschen geholfen. Sicher, es ist schon – gewöhnungsbedürftig, das schon…

D

Du warst bei den Daumenschrauben dabei, ich weiß.

B

Ja eben.

 

D

Ja weißt du denn, wie es dann weiter geht? Das mit der kluegen Schnur, weißt du das auch?

B

Hab schon davor gehört. Der eine Züchtiger, der Rodem, hat die auch einmal angewandt. Aber ich bin nicht selber dabei gewesen. Hab nur davon gehört.

D

Weißt du, dass diese Folter eine der brutalsten überhaupt ist? Und dann heißt es im Ausland, wir Tiroler verfahren geradezu zimperlich mit unseren Delinquenten!

B

Da werden die Leute gefesselt, nicht?

D

Gefesselt, das klingt wirklich zahm. Gefesselt (lacht hysterisch). Die Winklerin heute Morgen hat die kluege Schnur zu spüren bekommen. Ich habe sie halten müssen, gut, das ist meine Arbeit. Dann hat der Meister das dünne Hanfseil aus der Kiste geholt und hat es der Winklerin unter die Nase gehalten. Wenn sie nicht gesteht, hat der Richter gesagt, dann bekommt sie die Schnur zu spüren. Die Winklerin hat ihren Kopf hängen lassen, den total kahlen Kopf, mit dem sie aussieht wie ein alter Mann, und hat nein geschüttelt, nein, nein, sie habe nichts zu gestehen. Sie habe nichts verbrochen. Dann ein Kopfnicken vom Richter, die Schnur wurde um die Handgelenke gebunden, erst um das eine, dann um das andere, und dann hat der Henker zugedreht.

B

Grausig!

D

Das Blut, das Kreischen und Winden. Dann war die Schnur durch. Bis auf den Knochen. Dazwischen die Fragerei vom Richter.

B

Grausig.

D

Der Gerichtsdiener hat, wie das bei den peinlichen Befragungen so ist, alles genau notiert, mit Stundenglas. Als man der Winklerin androhte, man würde die Tortur am anderen Handgelenk wiederholen, da hat sie gestanden. Direkt gebettelt hat sie, dass sie gestehen darf.

 

B

Was denn, was hat sie gestanden?

D

Sie hat gestanden. Das Übliche halt. Ich kann’s nicht mehr hören. Das mit den Hexenflügen, die Unzucht mit dem Teufel, das Töten von Kindern, das Wettermachen und so weiter. Was du willst. Alles, was du willst. Das spielt keine Rolle. Du kriegst alles heraus.

B

Grausig. Wenigstens hat sie’s überstanden.

 

D

Nein nein. Das war doch erst der Anfang! Dann kam die Pause, das Ave Maria, der Weihrauch. Die Geschworenen haben sich mit dem Richter und dem Schreiber zu einem ordentlichen Frühstück zurückgezogen, das Ganze findet ja, wie du weißt, in aller Früh vor dem Frühstück statt, damit die Delinquentin nicht erstickt. Inzwischen mussten wir, der Meister und ich, die halb wahnsinnige Frau fürs nächste Verhör herrichten. Bring das einmal zusammen! Aber die Schnittwunden durften wir nicht verbinden, hat der Richter befohlen. Die müsst ihr bluten lassen, sonst nimmt sie alles zurück.

B

Fürs nächste Verhör herrichten?? Wie das, wenn sie eh schon gestanden hat??

D

Gestanden oder nicht, du kennst anscheinend den Prozessverlauf nicht. Das Ganze wird wiederholt. Erst wenn sie bei der Wiederholung dasselbe sagt, ist die Sache erledigt.

B

Na, Gott sei Dank!

D

Warte. Dann kommen noch die Besagungen dran. Nach dem Schuldgeständnis kommt immer die Frage nach den übrigen Beteiligten.

B

Wie, hat sie andere Personen angegeben?

D

Sie wollte erst nicht. Daumenschrauben, Ansatz zur kluegen Schnur. Nichts. Keine Besagungen. Dann hat der Richter befohlen, die dritte Stufe anzuwenden, das Aufziehen. Das machen wir morgen.

B

Komm, lass gut sein. Trink ein Viertele, du kannst es brauchen. Und ich auch! Das ist ja -

D

Und ich beschwöre dich, kein Wort davon zu niemandem! Kein Wort, sonst bin ich beruflich erledigt!

B

Klar. Hab ich doch versprochen!

7. Bild

Im Widum

 

 

Frühmesser Teininger (G)  mit Pfarrer Lampl (x) beim Frühstück. Die Häuserin werkelt im Hintergrund an der Feuerstelle mit dem Hostieneisen.

 

X

Teininger, du gehst heute zur Winklerin hinüber und nimmst ihr die Beichte ab.

G

Ja weißt du, ich hatte heute eigentlich vor, zum alten Messner hinaus zu gehen. Die junge Messnerin hat nach mir geschickt. Er braucht dringend geistlichen Beistand, jetzt, wo das mit der Messnerin passiert ist. Ich –

X

Du gehst heute hinüber zur Winklerin. Nimm das Pferd, dann hast du’s etwas bequemer.

G

Wenn der Jorg geht?

X

Ich will, dass du gehst. Sie ist allzeit dein Beichtkind gewesen. Du bist ihr den Dienst schuldig. Lass sie jetzt nicht im Stich, hörst du?

G

Die Winklerin, die ist doch eine Unholde, was sollte die mich noch brauchen.

X

Sie braucht dich mehr als die anderen, das weißt du. Schau, ich habe schon ein gewisses Verständnis dafür, dass du dich drücken willst. Es ist schlimm, ich weiß, ich weiß, ich habe die Situation erlebt und das nicht nur einmal.

G

Ich kann’s nicht ertragen. Mein Gott, ich kann nicht (legt das Gesicht in die Hände).

X

Du wirst es ertragen. Denk an unseren Herrn und was er gelitten hat. Denk an die arme Seele, die verblendet ist und sich mit den dunklen Mächten eingelassen hat, sie wartet auf die Erlösung! Der weltliche Arm wird auf seine Weise Gerechtigkeit üben, das können wir der Winklerin nicht ersparen, aber zum mindesten können wir ihr geistlichen Trost anbieten. Wenn sie ihn annimmt und bereut, ist ihr Seelenheil gerettet. Teininger, ich möchte, dass du es bist, der zur Winklerin geht. 

G

Ich werde gehen. Lass mich nur noch zuerst in der Kirche vorbereiten. Ich muss mich vorbereiten.

 

 


8. Bild

Vor der Burgmauer

 

 

A = der Landrichter

B = Jorg

C = Martl

 

 

A

Da bin ich wieder. Habt ihr die Winklerin ordentlich untergebracht?

B

(bitter, beinahe feindselig) Das was von ihr übrig ist, ja.

C

Was habt ihr mit dieser armen Seele angestellt, Herr! Erlaubt mir, das zu fragen.

A

Schweig, Knecht, und tu deine Pflicht. Und denkt daran, dass wir morgen Früh bei Tagesanbruch weitermachen werden. Die Frau muss bis dahin vernehmungsfähig sein.

C

(brummt). Gewiss, Herr.

A

Und noch etwas: Ihr müsst gewährleisten, dass sie sich nichts antut. Zwar wird sie durch die zweite Stufe nicht mehr dazu in der Lage sein, die Hände zu gebrauchen, aber es ist schon vorgekommen, dass eine durch des Teufels Hilfe trotzdem imstande war, sich aufzuhängen oder so. Wenn das passiert, seid ihr dran. Dann wird euch der Prozess gemacht wegen Beihilfe zu hexischem Wirken. Denkt daran. Wir brauchen die Frau morgen, da geht es um die Besagungen. Ohne Besagungen ist die ganze Mühe umsonst. Sie soll alle Namen ausspucken von den Hexen, die bei den Sabbaten dabei waren. Sie muss morgen vernehmungsfähig sein, klar?!

C

Ja, Herr.

A

(leutselig): Dann haben wir uns verstanden, gut. Wir werden die Hexenverschwörung aufdecken, das ist sicher. Herr Leonhard wünscht eine lückenlose Liste von Mittäterinnen. Er will reinen Tisch machen im Gericht.

Gute Nacht zusammen. Und wie gesagt: Aufpassen, dass nichts passiert!

B und C

Gute Nacht, Herr.

(der Richter geht, dann Stille. Zunehmender Mond über der Burg)

(Pause)

B

Was hältst du von der Sache?

C

Was soll ich davon halten. Ich denk nicht nach. Das ist das Beste.

B

Ja, schon.

(Pause)

C

Was denkst du darüber, los, sag schon. Dich drückt doch etwas.

B

Was weiß ich. Ich hab heute mit dem Bertl geredet.

C

Na und?

B

Ja, was soll ich sagen. Er, er –

C

Er ist von der ganzen Sache nicht völlig überzeugt. Ist es das, was du sagen wolltest?

B

Ja.

C

Du, ich schau mal nach der Winklerin, dann können wir uns ja weiter unterhalten, wenn du magst. Du hast ja dienstfrei.

B

Bei mir zuhaus wartet keiner. Ich bleib da und leiste dir Gesellschaft. Ich hab noch ein Halbele, das können wir gemeinsam verputzen.

C

Gut dann, bis gleich.

 

 

 


9. Bild

In der Burg

 

 

Y = der Pfleger

A = der Richter

 

Pfleger und Richter sitzen in einer getäfelten Stube und unterhalten sich.

 

Y

Wir brauchen Namen.

A

Ich weiß. Ich tu mein Bestes.

Y

Der Herr wird langsam ungeduldig. Er hat mitgeteilt, er macht eine schlechte Figur oben in Meran. Er hat Namen versprochen. Dreißig, hat er gesagt, kriege er locker zusammen. Es geht wahrscheinlich um eine Wette.

A

Dreißig! Bis jetzt haben wir ganze acht.

Y

Ja, es geht langsam vorwärts. Zu langsam. Was denkst du: Hat das mit dem Züchtiger zu tun?

A

Nein, der Züchtiger ist in Ordnung. Er hat gute Referenzen und versteht sein Handwerk. Das hat er bewiesen. Wenn einer in Cavalese war… Es ist mehr sein Bursche, der mir Kopfzerbrechen bereitet.

Y

Es ist sein Sohn, hast du das gewusst?

A

Ach was! Ja, das ist eigentlich fast immer so. Der Sohn eines Züchtigers kann ja nichts anderes werden als Henker. Keiner stellt den Sohn eines Henkers ein, außer ein anderer Henker. Also sein Sohn? Er spricht ihn alleweil mit „Meister“ an. Du sagst, es gibt ein Problem mit dem Burschen?

Y

Ja. Ich finde, an dieser Situation sollten wir rasch etwas ändern. Wir können uns jetzt keinen leisten, der schlapp macht und den Ablauf verzögert! Ich werde einmal mit Herrn Leonhard sprechen. Es gibt immer wieder unfähigen Nachwuchs bei den Henkern, und die bauen dann einen Pfusch nach dem anderen. Der Sohn des Haller Henkers hat das erst vor kurzem demonstriert und das noch dazu öffentlich. Hat schon bei der zweiten Exekution versagt. Eine Enthauptung im Stehen muss einer beherrschen, das ist doch gelerntes Handwerk! Das war eine Sauerei! So geht das nicht. Da muss sich etwas ändern.

 

 

A

Wie wahr. Unser Bursche hier scheint einer von dieser Sorte zu sein. Vielleicht sollten wir einen andern anfordern, schließlich kommt uns das Ganze nicht gerade billig zu stehen. Der Henker arbeitet nach Tarif, und der Bursche erhält pro Woche immerhin drei volle Gulden rheinisch. Dafür kannst du als Handwerker sonst wochenlang schuften. Ich bin bei den Henkern total gegen die Pauschalentlohnung, muss ich sagen. Entlohnung nach Qualität, das ist’s!

Y

Das Geld spielt in diesem Fall keine Rolle, hat mir Herr Leonhard versichert. Er will einen ordentlichen Schauprozess mit allem Drum und Dran. Da kommt’s ihm auf ein paar Gulden auf oder ab nicht an. Notfalls erhöht er die Steuern, hat er gesagt. Die Hexenjagd kommt doch vor allem den Bauleuten zugute! Also werden sie auch entsprechend berappen müssen.

A

Klare Haltung, so kommt man weiter.

Y

Der König ist der Sache gewogen, hast du das gehört? Wie wir die Treibjagd veranstaltet haben, hat er das gesagt. Wir Nahestehenden haben es aus seinem eigenen Mund vernommen. Das Hexengeschmeiß muss ausgerottet werden bis auf die Wurzeln, das waren seine Worte. Die Frau ist auch dieser Ansicht. Ein Verwandter von ihr war bei der Hexenjagd unten in Cavalese maßgeblich beteiligt. Sie hat entsetzliche Dinge berichtet, die auf der Folter gestanden worden sind! Da bleibt dir die Spucke weg!

A

Es ist schon erstaunlich, dass wir bis vor kurzem von dem ganzen Hexenwirken kaum etwas mitbekommen haben. Da treiben diese Unholdinnen jahrelang ihr Unwesen unter uns, und wir bemerken das nicht einmal! Schauerliche Vorstellung!

Y

Wenn Heinrich Cramer nicht reinen Tisch gemacht hätte draußen in Innsbruck, wüssten wir noch heute nichts darüber.

A

So richtig reinen Tisch konnte er nicht einmal machen.

Y

Das stimmt, der Bischof hat ihn des Landes verwiesen. Ob das die richtige Entscheidung war? Man sieht, das haben wir nun davon!

A

Ich finde überhaupt, dass sich die Kirche in dieser Sache erstaunlich ruhig verhält, was sagst du?

Y

Schon, jetzt in den letzten paar Jahren. Aber vorher ist es ganz schön rund gegangen. Denk nur an die vornehmen Inquisitoren, wie sie in  Spanien und Italien herum gestiegen sind wie die, Gott verzeih mir dieses Wort, wie die Halbgötter! Dörferweise sind alle Verdächtigen zusammengetrieben und verhört worden.

A

Jetzt hat die Kirche andere Probleme. Ketzer überall und sie werden immer unverschämter. Denen muss endlich mit aller Härte ein Riegel vorgeschoben werden!

Y

Fällt mir gerade ein, wenn wir von der Kirche reden: Morgen früh kommt der Frühmesser von Völs herüber. Wir setzen die Verhandlung auf etwas später an, damit er den Delinquentinnen die Beichte abnehmen kann – wenn sie denn wollen.

A

Ich weiß davon. Stimmt es, dass der Teininger beim peinlichen Verhör persönlich anwesend sein will? Er will auch die Aussegnung vornehmen, die vor dem Bösen Blick und die anderen hexischen Wirkungen schützt.

Y

Stimmt. Ein Problem?

A

Nein, nein. Ich hab nur daran gedacht, ob er das durchhält. Ein feiner geistlicher Herr mit weißen, sauberen Händen und einem zarten Gemüt, ob er das durchhält?

Y

Das wird sich herausstellen. Es war ja sein Wunsch.

A

Ich tippe darauf, dass er es nicht bis zur zweiten Stufe schafft. Ich wette, dass er sich schon vorher verabschiedet.

Y

Eine Wette? Nur zu! Ich wette dagegen. Nur so zum Spaß. Eine gute Flasche vom Mioler?

A

Topp.

Y

Dann bis morgen.

A

Bis morgen. Einen geruhsame Nacht wünsche ich.

 

 

 


10. Bild

Vor der Burgmauer

 

 

B = Jorg

C = Martl

 

B und c sitzen schweigend in Gedanken versunken  auf einer Bank vor der Burg

Schließlich:

 

B

So, jetzt haben sie, was sie wollen.

C

Na was, wenn es so ist?

B

Ja schon. Aber so.

C

Was hättest du getan, wenn ihr der Teufel das Maul verschließt.

B

Schon.

(Schweigen. Vogelstimmen. Gelächter in der Burg)

B

Aber gleich so. Ich hab sie nicht anfassen können. Sie ist mir zusammengefallen wie ein leeres Heutuch.

C

Und geschrieen hat sie. Gekreischt wie ein Tier. Wie kann ein Mensch nur solche Töne von sich geben. (schüttelt sich). Das geht nur, wenn der Teufel mit im Spiel ist. Ein Mensch bringt so was nicht zustande.

(Pause. Ein Hund heult)

B

Wir müssen nach ihr schauen. Tust du’s?

C

Eigentlich bist du dran.

B

Hast was gut bei mir, wenn du für mich gehst.

C

Na meinetwegen, ich mach’s. Bist alleweil ein rarer Kerl und hast mir schon oft geholfen. (seufzt und steht auf). Ich tu’s.

B

Ich dank dir. Ich kann’s nicht. Ich kann’s nicht. Den ganzen  Tag hab ich sie vor mir gesehen in ihrem verrenkten Zustand. Wie sie sie aufgezogen haben. Das ist zu viel, Teufel hin, Teufel her. Sie hat ja auch ein Empfinden, ein ganz persönliches, oder?

 

C

Weiß man nicht. Der Bertl meint, das ist nur der Teufel, der da schreit, um die Geschworenen weich zu machen. Und wenn sie’s sind, lacht er sich einen ab. Der Teufel ist so, das ist seine Art. Er täuscht und betrügt, wo er nur kann.

(Pause)

B

Dass es der Bertl bloß derpackt. Drei Geschworene haben’s nicht derpackt und sind nach Hause. Der Grafoar hat gespieen.

C

Ja.

B

Schaust du dann nach der Winklerin?

C

Nur noch ein bisschen (setzt sich wieder). Ein Glasl. Ich geh dann schon.

B

Bist ein Freund.

 

 

 


11. Bild.

Auf dem Dorfplatz

 

S, T, U, V, Z, drei Männer, die von der Arbeit kommen, und zwei Frauen stehen zusammen und besprechen sich. Sie haben Gerätschaften dabei, eine Sense, einen Schubkarren. Ein Gewitter zieht auf.

 

S

Es ist vorbei.

T

Was?

S

Nun, sie hat gestanden, hast du das nicht gehört?

T

Logisch habe ich das gehört. Aber vorbei? Sie hat Dutzende Anzeigen gemacht. Weißt du, was jetzt passiert?

S

Geschieht ihnen recht, diesen gottlosen Weibern, wenn es ihnen endlich an den Kragen geht. Wir haben zu lange zugeschaut und nichts unternommen. Endlich ist es vorbei!

U

Die Winklerin hat meine Nachbarin angezeigt. Recht geschieht ihr! Ich habe lang schon den Verdacht gehabt, dass mit der etwas nicht stimmt. Wie die immer meinen Buben, den Wastl, angeschaut hat. Und schön getan hat sie ihm, direkt verdächtig!

Z

Meine Nachbarin ist auch im Burgverlies. Vorgestern haben sie sie mit einem Karren abgeholt. Wie die Kinder geschrieen haben! Dem Mann war es aber, scheint’s, egal. Kein Wort des Erbarmens. Ein stures Gesicht. Aber die Kinder, die haben geschrieen. Fast übernatürlich laut.

V

Ich bin heute früh bei meiner Base beim Baumann drüben gewesen, um ihr beim Roboten zu helfen. Wir haben den Burganger abgemäht. Unter Schnaggen richten sie gerade den Richtplatz her. Den ganzen Tag über hat man Hämmern und Rufen gehört. Und vor der Burg haben sie die Pfähle hergerichtet. Das sind ja bei dreißig Stück!

S

Der Herr kommt selber, um die Hinrichtungen zu leiten, habe ich sagen hören. Er kommt eigens von Meran herunter und nimmt eine Menge einflussreicher Herren mit. Bin gespannt auf den Haufen!

U

Da wird’s zugehen auf der Burg!

 

 

V

Vergiss nicht das Fest! Drei Tage lang gibt es ein Fest mit allem Drum und Dran. Italienische Gaukler und Musikanten sollen kommen, das wird eine Show mit Gebratenem und Gesottenem, Tanz und Spektakel!

Z

Ich freu mich auf die Herrschaften! Bin neugierig auf die Frauen und ihr Gefolge, wie sie beisammen sind. Ob man in ihre Nähe darf?

V

Wisst ihr, wann es soweit ist?

S

Beim nächsten Vollmond. In einer Woche also.

U

Was zieht ihr euch an?

S

Was wohl, das Festtagsgewand.

V

Na dann! Pfiatenk!

 

 

 


12. Bild

Vor der Burgmauer

 

 

 

B = Jorg

C = Martl

E = ein Bauarbeiter, der beim Herstellen der Holzpfähle robotet

F = ein Bauarbeiter beim Herstellen der Holzpfähle

 

B und C stehen vor dem Burgtor. Man hört lautes Holzarbeiten, ab und zu Zurufe. Die Geräuschkulisse kommt von der Bauhütte hinter der Burg.

 

B

Heut ist der Nachschub gekommen. Der Züchtiger hat nun vier Gehilfen. Das ist ein Betrieb!

C

Und wir haben die Last! Wie sollen wir dreißig Unholde unterbringen und verköstigen! Dafür ist unser Betrieb nicht ausgelegt!

B

Soviel waren es noch nie!

C

Und es gibt reihenweise Geständnisse. Vorgestern hab ich der einen, die neu hereingekommen ist, erzählt, was die Winklerin so alles ausgesagt hat. Und was tut die blöde Gans? Sie sagt den Geschworenen genau das, was ich von der Winklerin erzählt habe.

B

Soll doch bei ihren eigenen Untaten bleiben!

C

Hast du nie Angst, wenn du ins Verlies gehst, ich meine, dass sie dich in was weiß ich verhexen?

B

Also, ganz wohl ist mir dabei auch nie. Ich habe eher Angst vor dem Satan, dass er mir unten erscheint und mich zu allen möglichen Dingen zwingt, dass ich sie freilasse oder aufhänge oder so was. Das soll es ja geben.

C

Der Richter hat angekündigt, dass er nach dem Teininger schickt oder nach Jorg, dem Vikar, dass sie das ganze Verlies aussegnen und überall geweihte Kreuze und Kräuter verteilen.

B

Ein Stöhnen und Kreischen ist das! Und der Gestank!

C

Ach weißt du, man gewöhnt sich schön langsam. Am Anfang hat’s mir mehr ausgemacht.

B

Dann bist du gut dran, das kannst du jetzt brauchen, wo’s hart auf hart kommt. Bald sind alle Geständnisse zusammen und dann gibt es die große Hinrichtung unter Schnaggen. Das wird ein Spektakel!

C

In der Haut vom Winkler möchte ich nicht stecken!

B

Da hast du Recht! Wo sie das Ganze ausgelöst hat, na ja, nach der Jobstin! Wenn sie stillgehalten hätte, wäre es nie soweit gekommen, das ist gewiss!

C

Aber das ist doch gut so! Stell dir vor, man wäre nicht draufgekommen! Dann würden sich diese Hexenbrut unter uns bewegen wie ganz normales Christenvolk.

B

Ist wahr. Nicht auszudenken!

(Pause)

A

Der Teininger hat durchgehalten. Hätte ich nicht gedacht! Ich habe gegen ihn gewettet, da hast du die bessere Nase gehabt!

B

Schon. Und jetzt kann er seine Standfestigkeit unter Beweis stellen, wo’s um Dutzende Fälle geht. Dreißig sind es mittlerweile, die Kastelruther nicht einmal mitgerechnet!

C

Man muss aber sagen, er macht sich, der Teininger! Pfarrer Lampl könnte keinen besseren geistlichen Beistand haben, er selbst ist ja zu alt, um den Außendienst zu bewältigen.

B

Bald achtzig ist er.

C

Leonhard Völser wird ihn wohl demnächst ersetzen müssen. Ich persönlich finde das schade, in der Hexensache hat er immer eine klare Linie vertreten.

B

Hat vertreten! Noch ist er nicht abgetreten.

 

E, F (kommen hinter der Biegung der Burgmauer hervor und nähern sich)

E

He ihr Beiden, könnt ihr einmal mit anfassen?! Wir brauchen ein paar starke Arme.

B

Um was geht’s? Ah, ihr seid von der Bauhütte.

C

Klar! Was gibt’s zu tun?

 

E

Die Pfähle sind fertig und liegen hinter der Burg herum. Wär schön, wenn ihr uns helft, sie umzuschichten. Wir sollen sie hier vor der Burg stapeln. Morgen kommen sie dann hinauf auf den Richtplatz.

B

Na, dann mal los! (spuckt in die Hände)

 

 

 


13. Bild.

Im Gasthaus beim Windisch.

 

B = Jorg

C = Martl

D = Bertl

 

 

C

Das haben wir hinter uns. Ich bin direkt froh darüber.

B

Schon.

C

Nicht dass ich es nicht gut finde, was der Völser da aufgeführt hat. Da war endlich was los in Völs. So einen Auflauf hast du hier noch nie erlebt. Hast du den Herrn gesehen, wie er am Donnerstag mit seinem Gefolge eingeritten ist? Ich glaub, das Ross allein ist ein Höfl Wert.

B

Ich hätt ihn mir größer vorgestellt.

C

Größer? Das ist Wurscht. Aber eine Stimme hat er, gewaltig! Hast du gesehen, wie der Lafayer, der Hochnäsige, gekuscht hat vor ihm?

B

Der Richter? Ganz ehrlich, ich bin froh, wenn ich den eine Weile nicht mehr sehen muss! Ich hab mehr auf die Frauen geschaut.

D (war bis jetzt schweigsam und hat an seinem Glas genippt).

Mir hat er nach der Verbrennung noch eine hineingesalzen. Unfähig hat er mich genannt, nur weil ich –

C

Also einmal ehrlich, du kannst doch nicht verlangen, dass er dir einen Befähigungsnachweis ausstellt, wo du doch beim Aufziehen von der Miolerin so einen Pfusch gebaut hast.

D

Pfusch, Pfusch. Der Knoten ist aufgegangen. Die Hexe hat bestimmt den Teufel zu Hilfe gerufen. Das kann jedem passieren, wenn man es mit Unholden zu tun hat.

C

Aber dass sie sich beim Sturz den Rücken kaputtgeschlagen hat, ist schon peinlich.

B

Da habt ihr das Verhör abbrechen müssen. Wer weiß, was sonst noch herausgekommen wäre. Das ist jetzt alles futsch.

D

Na, inzwischen ist das egal, sind ja alle in Rauch aufgegangen.

C

Weißt du, was ich dir sage? Die Frauen haben sich besser gehalten als die beiden Hexer. Das Gejammer war ja direkt unerträglich. Würdelos.

D

Aber peinlich war es schon, dass das Pulver ausgegangen ist. Habt ihr hier im Gericht nicht einmal genug Pulver für dreißig Hinrichtungen? Darauf muss man immer gefasst sein.

B

Das ist typisch Völser. Ihr wisst ja das mit den Völser Kliabern.

C

Die Winklerin ist direkt explodiert. Grausig war das. Wisst ihr noch, wie sie das Hexenvolk abgeholt haben? Zwei Wagen voll. Die Ochsen haben es fast nicht derzogen.

B

Das Schlimme war das Aufladen. Ein paar haben wir regelrecht hinaufschleifen müssen.

C

Schon komisch, dass sie in ihrem Zustand nur eins im Kopf gehabt haben: Dass man keine Blöße sieht. Das war ihnen das Allerwichtigste.

D

Die Winklerin nicht. Der war’s egal.

C

Die war nicht mehr imstand. Ich glaub, sie hat den Verstand verloren. Sie hat andauernd vor sich hingemurmelt.

D

Gebetet hat sie. Wo sie das Latein her hat?

C

Die Hexen können alles. Wer weiß, was sie gebetet hat. Vielleicht hat sie zu ihrem Höllenfürsten gebetet. Damit er sie abholt und in sein Reich führt. (lacht)

B

Mich hat am meisten die Jobstin beeindruckt. Direkt frech geschaut hat sie bis zum Schluss.

C

Königin von Engelland. Als Königin und Satans Frau hat sie wohl Haltung bewahren müssen. Wie hätte das ausgeschaut? Wie wäre der Satan dagestanden mit so einer Frau??

D

Ich bin froh, dass das alles vorbei ist. (trinkt das ganze Glas leer, schüttelt sich). He Wirt, noch ein Glas!

B

Und Bertl, wo habt ihr den nächsten Auftrag?

D

Der Meister –

 

C

Dein Vater, wolltest du sagen…

D

Na und? Ich heiße ihn immer Meister. Das ist er ja auch, ich lerne ja bei ihm. Also, mein Meister, der Vater, ist gerade dabei, die Asche zu beseitigen.

C

Und die Gulden zu zählen, wette ich.

D

Die Asche muss fein säuberlich in den Wind gestreut werden, übers ganze Land verteilt. Das will er selber machen. Mir hat er heute frei gegeben.

(Pause. Jeder trinkt und sinniert. Die Geräuschkulisse des Gasthauses ist verstärkt zu hören)

B

Der Bär. Der war ulkig! Tanzen hat der können!

C

Mir haben die Weiber beim Tanzen und Springen besser gefallen.

B

Und von denen besonders die Thresl, was?

C

Thresl, Thresl. Das ist nicht die Einzige. Ein tolles Fest ist das gewesen, das muss man sagen. Der Pfleger hat alles bestens organisiert.

B

Habt ihr gesehen? Die Verwandten von den Gerichteten haben sie extra verköstigt. Ein Leichenschmaus auf Gerichtskosten. Der Teininger war mit am Tisch und Jorg, der Vikar. Kein leichtes Schicksal für die Leute.

D

Ich muss dir sagen, ich glaube, die sind froh, dass die Sache aufgedeckt worden ist. Stell dir vor, du liegst mit deiner Thresl im Bett, und dann stellt sich heraus, dass sie eine Hexe ist. (schüttelt sich). Wer weiß, was sie mit dir anstellt (lacht).

So, Leute, ich muss hinüber nach Prösels. Wir packen heute Nachmittag den Karren zusammen und ich, ich muss noch die Geräte waschen. Morgen geht’s wieder zurück nach Meran.

B

Wirst uns abgehen. Echt.

C

Sag ich auch.

D

Na dann.

 

 


14. Bild

In der Kirche

 

In der Kirche. Glockenläuten. Die versammelte Gemeinde kniet auf dem Boden, Pfarrer Lampl auf der Kanzel. Düsteres Licht. Auf der Kanzel klebt eine Kerze.

 

Lampl (Die Glocken klingen fern und monoton)

 

Liebe versammelte Christengemeinde! Unserer Pfarre ist eine große Prüfung auferlegt worden, und ihr habt durch eure Besagungen mitgeholfen, der Hexenpest Einhalt zu gebieten. Herr Leonhard und die Frau lassen euch dafür ihren Dank aussprechen. Sie sind wieder nach Meran zurück und schicken ihren Bauleuten gnädige Grüße. Auch der Bischof hat sich lobend darüber ausgesprochen, dass hier im Völser Gericht so konsequent und erfolgreich vorgegangen worden ist. Ich weiß, liebe christliche Gemeinde, dass einige unter uns den Verlust von Freunden und Angehörigen beklagen, und wir können diese Trauer menschlich durchaus nachempfinden. Denkt aber daran, dass die entlarvten Unholden sich aus freien Stücken dem Teufel (bekreuzigt sich) ergeben haben, niemand hat sie dazu gezwungen. Der höllische Fürst (bekreuzigt sich) vermag nichts gegen eine getaufte Seele, es sei denn, sie löst sich freiwillig vom Band, das sie an die große christliche Familie bindet. So gesehen, liebe Freunde und Angehörigen der Gerichteten, haben diese sich schon längst von der Christengemeinde und also auch von euch abgewandt und waren nur mehr der äußeren Erscheinung nach die altbekannten, vertrauten Gesichter. Liebe Christengemeinde, ihr seid wohl alle unter Schnaggen bei der Hinrichtung zugegen gewesen und habt die Verlesung der Urgichten vernommen. Mit Entsetzen haben wir von unerhörten Schandtaten gehört, die denen in Cavalese um nichts nachstehen. Kinder sind gebraten und gegessen worden! Du, Melchior, hast dein Kind auf diese Weise verloren, und du, und du. Euer Hab und Gut ist euch entwendet und bei den Sabbatfeiern verzehrt worden. Hexenflüge fanden in unserem Gericht statt und Wetter wurden gemacht, um euch Schaden zuzufügen. Liebe christliche Gemeinde, wir sind aufgefordert, unseren Schmerz zu zügeln und uns an das Bibelwort zu halten, Exodus 22,18, in dem steht: „Hexen sollst du nicht am Leben lassen“. Einige der Gerichteten haben bereut und sind vor Verbüßung ihrer weltlichen Strafe in den Schoß der Mutter Kirche zurückgekehrt. Für sie wollen wir beten: Herr gib, dass die reuigen Sünder nach Verbüßung ihrer Strafe im Fegefeuer in dein Reich eingehen und dein Angesicht schauen dürfen. Amen. Liebe Christengemeinde, nicht nur bei uns im Gericht Völs gibt es Abfall vom rechten Glauben und Ketzerei, nein, auch im übrigen Reichsgebiet sind solche Erscheinungen häufig anzutreffen, wie mir Seelsorger aus anderen Gerichten mitteilen. Der Heilige Vater in Rom unternimmt verstärkt Anstrengungen, die Entgleisungen einzudämmen. Er hat den Dominikaner- und den Kapuzinerorden damit beauftragt, nach Ketzern und Abtrünnigen zu fahnden und befiehlt euch, die Inquisitoren nach Leibeskräften zu unterstützen. Und noch ein weiteres Problem bedrückt Papst Julius: In seiner Enzyklika fordert er die gesamte Christenheit auf, durch den Kauf von Ablässen dazu beizutragen, dass die neue Kirche des heiligen Petrus möglichst bald fertig gestellt werden kann. Es sei nicht tragbar, dass die Gebeine der Heiligen Petrus und Paulus unter freiem Himmel bleichen und Wind und Wetter sowie wilden Hunden ausgesetzt sind. Er (verblassende Stimme, das Glockenläuten dominiert nun und klingt nach ein paar Sekunden ebenfalls aus).